Messingen blickt auf 1939 bis 1945

 

(Eric Tavernier, Stanislawa Zubko und Marie-Jose Schade,Foto: Johanna Lügermann)

 Veranstaltung am 02.11.2013

Die Zeit der Kriegsgefangenschaft bedeutete für Betroffene Leid und Heimweh. Die Informationsveranstaltung „Messingen blickt auf 1939 bis 1945“ des Heimatvereins legte den Schwerpunkt auf die positiven Beispiele des Zusammenlebens mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen.

An der Stelle, an der früher eine Unterkunft für Kriegsgefangene stand, erinnert in Messingen heute ein Gedenkstein an das Leben der Menschen aus ganz unterschiedlichen Nationen. 1939 waren es polnische und ab 1941 französische Kriegsgefangene, die jeden Morgen von den Bauern aus der Scheune abgeholt wurden. Die Zwangsarbeiter aus Polen, Russland und der Ukraine waren dagegen auf den Höfen untergebracht.

Am Gedenkstein versammelten sich am Samstag viele Bürger, um an die Gefangenen zu erinnern. Mitglieder der Jugendfeuerwehr verlasen die Namen, die erhalten blieben. „Wir wollen über diesen Teil unserer Geschichte informieren und die Erinnerung wach halten“, erklärte die Initiatorin der Veranstaltung, Ursula Kottebernds. „Es ist uns wichtig das Unrecht anzuerkennen, aber auch einen Blick auf die menschliche Seite zu geben.“

Der Vortrag von Marie-Dominique Guyard, Vorsitzende der Gedenkstätte Augustaschacht e.V. , gab einen Eindruck vom Ausmaß der Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft. Sie spricht von insgesamt 13,5 Millionen verschleppten Menschen, die in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten. Die Zahl sei allerdings eine Momentaufnahme des Jahres 1943. Es seien Menschen aus 17 Nationen nach Deutschland geholt worden, drei Viertel von ihnen unter 20 Jahren.

Das Lager Augustaschacht sei ein sogenanntes „Arbeitserziehungslager“ gewesen, das zur Einschüchterung diente. Zwangsarbeiter aus der Region zwischen Osnabrück und Papenburg, denen Straftaten vorgeworfen wurden, kamen acht Wochen lang in dieses Lager. „Die
Arbeiter, die in Augustaschacht überlebten, waren so krank und schwach, dass andere Arbeiter bei ihrem Anblick Angst bekamen“, sagte Guyard.

Die Lebensbedingungen der Gefangenen waren sehr unterschiedlich. Die Zeitzeugin Stanislawa Zubko ist heute 93 Jahre und lebt in Lingen. Sie erinnert sich noch genau an das Jahr 1942, als sie im Alter von 22 Jahren nach Deutschland kam, um in Melle Zwangsarbeit zu leisten. „Ich wurde damals von meinem Bruder getrennt und habe ihn erst 20 Jahre später finden können“, erzählte sie. „Aber ich hatte noch Glück. Ich durfte in einer angesehenen Familie arbeiten und wurde dort sehr gut behandelt.“

Die Zeit habe sie stark gemacht, vor allem aber sei es der Glaube an Gott gewesen, der ihr immer wieder Kraft gab. Sie dankte für das Erinnern und vor allem für die Weitergabe von Informationen über die Zeit der Zwangsarbeit. „Vor allem die jungen Menschen müssen wissen, was passiert ist. Sie können sich so eine Zeit nicht mehr vorstellen.“

Der Heimatverein zeigte Beispiele von Freundschaften zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen. Auch die Geschichte von Robert Tavernier wurde berichtet. Er musste Zwangsarbeit leisten und lernte dabei Paula Schuir aus Brümsel kennen. Sie heirateten nach dem Krieg in Calais. Zwei der vier Kinder des Paares kamen am Samstag nach Messingen. Marie-José Schade, ehemals Tavernier, wohnt heute in Braunschweig, Eric Tavernier reiste aus dem französischen Calais an. Auch Henri Coeffard, der von 1941 bis 1945 Zwangsarbeit in Messingen leistete, verband nach dem Krieg eine lange Freundschaft mit der Familie, auf deren Hof er gearbeitet hatte. Eine Heirat mit Anna Kottebernds wurde allerdings durch seine Familie verhindert.

Sklavenmarkt in Lingen

Es wurden auch Berichte des Zeitzeugen Franz Kottebernds vorgetragen, welche die unmenschliche Dimension der Zwangsarbeit zeigten. Eindrückliche Schilderungen des Besuchs eines „Sklavenmarkts in Lingen“ im Frühjahr 1942 machten die Gäste betroffen. Die musikalische Begleitung des Internationalen Freundschaftschors unter der Leitung von Nelly Heilmann gestaltete mit Liedern in ukrainischer, russischer und polnischer Sprache einen passenden Rahmen für die Veranstaltung. Bürgermeister August Roosmann hob hervor, dass es nicht nur darum gehe, einen Stein zur Erinnerung aufzustellen, sondern Stück für Stück die Geschichte aufzuarbeiten.

(ein Artikel von Johanna Lügermann, erschienen am 03. 11. 2013 in der LT)

Ursula Kottebernds zeigt den Ort, an dem die Unterkunft der Kriegsgefangenen stand. Heute erinnert ein Gedenkstein an die Zeit von 1939 bis 1945. Mitglieder der Jugendfeuerwehr verlasen Namen der Kriegsgefangenen.(Foto: Johanna Lügermann)