Heimatgeschichten in neun Sprachen
( von Carsten van Bevern , in der NOZ am 17.01.2017)
Messingen am 16.01.2017
52 Personen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit aus zehn Nationen leben aktuell in der Gemeinde Messingen. In der örtlichen Bücherei haben einige von ihnen jetzt Texte in ihrer Muttersprache vorgelesen – und sind dabei auf Einladung des Heimatvereins miteinander und mit Zuhörern ins Gespräch gekommen.
Wie heißt es so oft: Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Bücherei in Messingen… Obschon: Auch dieser berühmte letzte Platz war an diesem besonderen Vorleseabend besetzt. Das hieß, dass rund 35 Personen in das Alte Pfarrhaus gekommen waren, um von aus anderen Ländern Zugezogenen Texte in ihrer jeweiligen Muttersprache zu hören.
Arabisch, kurdisch, portugiesisch, niederländisch, spanisch, russisch bis hin zu einem plattdeutschen Gedicht waren neben der jeweiligen hochdeutschen Übersetzung zu hören. Und spannende Lebensgeschichten. „Denn das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft ist auch bei uns längst zur Normalität geworden“, erklärte Ursula Kottebernds, die Initiatorin der Veranstaltung vom Messinger Heimatverein in ihrer Begrüßung.
Nuri kam aus Aleppo nach Messingen
Den Anfang machte der 23-jährige Nuri aus Aleppo, der seit Mai 2015 in Messingen lebt und in Syrien zuvor englische Literatur studiert hat: „Leider habe ich über meinem Deutschlernen viel davon wieder vergessen.“ Er erzählte auf Arabisch eine sogar heitere Geschichte über den Hunger.
Mit Nuri nach Messingen gekommen ist auch der gelernte Maler und Lackierer Shiraz, der mit seinem Bruder zusammen lebt und derzeit in Lingen einen Integrationskurs besucht: „Wie ich mein Land vermisse. Ich erinnere mich an meine Stadt, ich erinnere mich an meine Freunde und ich erinnere mich an meine Familie. Ich hoffe von ganzem Herzen, eines Tages zurückgehen zu können und wieder gemeinsam mit meiner Familie leben zu können.“
Zehnjähriger Lawand beeindruckte
Der Viertklässler Lawand aus dem Irak berichtete in beeindruckender Art und Weise auf kurdisch von einem Kind, welches sich am sehnlichsten nur etwas gemeinsam verbrachte Zeit mit seinem reichen und dafür lange arbeitenden Vater wünscht.
Der heute 25-jährige Natan aus Brasilien ist erstmals 2011 für ein Jahr als Austauschschüler nach Messingen gekommen. Inzwischen ist er in Messingen verheiratet, lässt sich zum Feinwerkmechaniker ausbilden und spielt bei den örtlichen Adlern Fußball. An diesem Abend stellte er den Zuhörern sein Heimatland vor.
Und den russischen Dichter Lermontov brachte Tatjana aus Kasachstan in russischer wie hochdeutscher Sprache den Zuhörern näher. „Kasachisch haben wir nur ein wenig in der Schule gelernt, auch zu Hause wurde russisch gesprochen“, erklärte die Spätaussiedlerin.
„Sprache ist wichtig bei der Integration“
In niederländischer Sprache ging es mit Angeline weiter, die seit 1996 mit ihrem Mann in Messingen lebt: „Meine Eltern stammen aus Oldenzaal. Wir sind hierher gezogen, als mein Mann eine Stelle in Lingen bekam, wir aber möglichst ländlich leben wollten. Heute haben wir vier eigene und zwei Pflegekinder. Und inzwischen 24 Pferde.“ Den Abschluss bildete Ida Hartke mit dem plattdeutschen Sanders-Gedicht „Silvester“.
„Wir können nicht alle Sprachen lernen. Aber wir können zuhören. Sprache ist die Brücke zu unseren Mitmenschen. Sprache ist wichtig bei der Integration. Und Heimat und Sprache gehören zusammen. Unzertrennlich“, schloss Kottebernds.
Bei Tee und Plätzchen wurden viele Eindrücke anschließend weiter vertieft. „Schön ist, dass auch einige Messinger gekommen sind, die mit Flüchtlingen bisher noch nicht viel zu tun hatten“, freute sich Ehrenbürgermeister – und „Sportler des Jahres“ – August Roosmann.
(v.l.n.r.: Shiraz, Lawand, Natan, Angeline, Ida, Tatjana, Alicia und Nuri)